Waldemars 3. Brief (Festlichkeit und Ogerwanst, Teil 1)

Mein lieber Freund!

Es ist schon ein paar Tage her, dass ich mich bei Dir meldete, aber Du wirst es nicht glauben: Nach unserem Abenteuer mit den Mindergeistern und dem Troll sind wir doch sofort wieder in ein neues Abenteuer gestolpert. So langsam glaube ich fast, der Zwerg zieht diese magisch an. Aber ich will nicht schimpfen, hat er mir doch heute Morgen geholfen, die Einzelheiten dieses Abenteuers um die Entführung eines schönen Mädchens ins Gedächtnis zu rufen, damit ich Dir die Geschichte erzählen kann. Aber der Reihe nach:

Von Sicherlingen aus sind wir wie im letzten Brief angedeutet weitergezogen nach Targuleth, um das dortige Stadtfest mit zu feiern. Dieses findet einmal jährlich zu Ehren des Heiligen Targuin, ein tapferer Held, der das Dorf vor langer Zeit vor den Orks rettete, statt. Eine spannende Geschichte, die uns der Dorfälteste erzählte, aber wie ich Dich kenne, ist sie Dir bestimmt schon vertraut, so dass ich darauf verzichte, sie hier ausführlich wiederzugeben.

Der Wirt des Dorfgasthofes „Gespaltene Eiche“ (rate mal, was neben dem Gasthaus steht) hatte zwar keinen Übernachtungsplatz für uns, war aber so freundlich, uns zu empfehlen, beim Schmied des Dorfes, einem Zwerg namens Gundar, nachzufragen. Dieser hat uns tatsächlich dankenswerterweise seine Scheune zum Übernachten überlassen. Und eines muss man den Zwergen lassen: Gastfreundlich sind sie! Hat er doch jedem von uns ein Zwergendolch geschenkt, der gute Gundar!

Granux war natürlich im 7. Himmel. Nicht nur, dass er dem Schmied zusätzlich ein Zwergenmesser abkaufen konnte, nein, Gundars Frau hat ihn auch noch mit Zwergenbrot versorgt (diese Zwerge müssen Zähne aus Stein haben!).

Am Abend des Festes mischten wir uns zusammen mit einer Gruppe Gaukler, die wir im Gasthaus kennengelernt hatten, unter die Leute. Es war ein schönes Fest mit Darbietungen, Spielen, reichlich Essen und natürlich Bier. Vom Wirt selbst gebraut übrigens. Der nicht nur stolz auf seine Bier war, sondern auch auf seine Familie, die er uns vorstellte, sobald er uns sah: Seine Frau Freilinde sowie seine beiden Kinder, der ca. 8jährige Eichward und die ca. 20jährige Yolanthe. Was für eine hübsche junge Frau! Und natürlich umgeben von vielen jungen Männern, wie Du Dir vorstellen kannst.

Nachdem wir uns in aller Ruhe umgesehen hatten, beschloss ich, mich am Bälle werfen zu versuchen und Du wirst es nicht glauben: Ich habe den Wettbewerb tatsächlich gewonnen. Naja, es gab für den Sieger zwar nur eine Puppe aus Stroh (mich beschleicht so ein bisschen das Gefühl, dass dieser Wettbewerb eher für die Kinder des Dorfes gedacht war), aber wer weiß, wofür ich diese noch gebrauchen kann. Schade, dass Daria sich nicht für das Nägel hämmern begeistern konnte, da hätte sie sicher auch gute Chancen gehabt zu gewinnen, so gut wie sie mit Werkzeug umgehen kann. Granux musste natürlich am Wettzechen teilnehmen, und Du wirst es nicht glauben: Er hat tatsächlich seinen Meister gefunden. Als wir ihn gerade zum Ausnüchtern aus dem Zelt brachten, kam plötzlich der kleine Eichward aus Richtung der Scheune zu uns getaumelt, „Scheune, Yolanthe, groß“ vor sich hin murmelnd. Bevor wir etwas fragen konnten, brach er zu unseren Füßen zusammen und wir konnten verschiedene Wunden an seinem Körper sehen. Zum Glück verstehen wir uns alle etwas auf Heilkunde, so dass wir diese behandeln konnten und er wieder zu sich kam. Viel mehr, als dass er niedergeschlagen wurde, konnte er allerdings nicht berichten. Er hatte Lärm in der Scheune gesehen, wollte durch ein Loch hineinschauen, hatte etwas Großes gesehen, das plötzlich auf ihn zukam. Und dass er meinte, Yolanthe in die Scheune hineingehen zu sehen.

(Zur Erklärung für Dich, mein Freund: In der Scheune wurde zu diesem Zeitpunkt die Statue des Targuin aufbewahrt, die zum Festessen am nächsten Tag gesäubert werden sollte, um dann feierlich wieder auf ihren Platz in der Dorfmitte gebracht zu werden.)

Wir schauten uns an und in stummem Einverständnis gingen wir zur Scheune, Granux dabei leicht schwankend (dies nur am Rande erwähnt).

Die Scheune war menschenleer, keine Yolanthe oder sonst jemand war zu sehen. Was mich beunruhigte war, dass wir bei näherem Hinsehen große Fußspuren fanden, die nicht von Schuhen stammen konnten. Und verstreut liegend, schwarze Haare, die eher tierischen Ursprungs schienen (an einen Ork wagte ich gar nicht erst zu denken). Und irgendwie wirkte die Statue so, als ob jemand mit Gewalt etwas aus dem unteren Teil herausgebrochen hätte.

Als wir die Scheune wieder verließen, herrschte große Aufregung: Yolanthe, die Tochter des Wirts, war tatsächlich nirgends aufzufinden.

Gemeinsam mit einigen Dorfbewohnern machten wir uns auf die Suche. Und entdeckten schließlich an der Palisade eine Stelle, die mit Gewalt aufgebrochen wurde. Wir konnten der Spur bis zum Waldrand folgen. In den Wald hinein zu gehen wagten wir nicht, war es dort doch viel zu dunkel, um noch weitere Spuren entdecken zu können.

So kehrten wir also um, um dem Wirt und seiner Familie mitzuteilen, was wir herausgefunden hatten. Dieser flehte uns an, uns am nächsten Tag auf die Suche nach seiner Tochter zu machen. Und wir konnten es ihm nicht ausschlagen.

Und so sollten wir uns am nächsten Tag also in den Steineichenwald aufmachen.

Aber davon will ich dir in meinem nächsten Brief berichten.

Bis dahin sei gegrüßt von

Deinem Waldemar

 

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